Ungebändigt bigbändig

Sprungbereite Rhythmus-Malocher:
Saxophonist Markus Steinhauser und seine Mannen holten aus Kiel Posaunist Sebastian Hoffmann ins Boot.
Kiel – So ist das bei Jazzern: Eigentlich als Quartett angekündigt, entsinnen sich Markus Steinhauser und seine Hamburger Kollegen, dass es da noch einen alten Kieler Bekannten gibt, Sebastian Hoffmann und seine Posaune.
Und so wird aus dem Quartett beim Konzert im Luna ein Quintett – mit ungebändigt bigbändigen Folgen. Dass der Weg vom Swing der 30er und 40er Jahre zum Modern Jazz und späten Bebop der 60er ein weiter ist, lässt das Quintett schon im ersten Stück vergessen. Als Hommage an Glenn Miller heißt es frech In The Mood. In Steinhausers nervös flirrendem Saxofonspiel, dem zwar auch Coltrane, eher jedoch Wayne Shorter Pate steht, mehr aber noch auf Hoffmanns glühender Posaune wirken die Swing-Zitate wie durch den Aktenvernichter geschreddert, gleichwohl als augenzwinkernde partes pro toto präsent. Und umgekehrt bekommt der bop-beschleunigte Modern Jazz durch solche Swing-Avancen gerade auf Martin Hornungs E-Piano eine melodiöse Frischzellenkur, die für Augenblicke vergessen lässt, dass wir hier keiner Bigband lauschen, sondern einem traditionell tricky agierenden Quintett.
Erfrischend brachial lässt man die Distanz zwischen Broadway und Birdland in Ornette am Bass im Zug zusammenschnurren, wie alle Stücke ebenfalls eine Komposition aus Steinhausers Stilmix-Feder. Das leisetreterische Intro mit warmem Unisono von Tenorsax und Posaune erweist sich bald als Startrampe in ungemein dicht gehämmerten Jazzrock.

Die Dramaturgie für fast alle Stücke ist damit vorgezeichnet: ganz quintettiger Einstieg mit kantenreicher thematischer Arbeit, der ins bigbändig Exaltierte mündet. Noch kecker macht man das in Schallern, dem jüngsten Stück, dem man seine Entstehung "in der bayrischen Vorweihnachtszeit" krachledern anhört. Auch Tirx weiß zu erstaunen, wenn man immer noch an ein bloß hardgebopptes Quintett glaubt: Strahlende Bläser, wie wenn die Bigband in Pop macht, melodieverliebt und ausgesprochen groovy.

Solche Wandelhallen zwischen recht unterschiedlichen Welten eröffnet auch Paris Speaks, freilich – das Stück ist sechs Jahre alt – noch etwas vorsichtiger. Für Bassist Oliver Karstens und Drummer Wolff Reichert bietet das die Möglichkeit, sich nicht nur als stets sprungbereite Rhythmus-Malocher zu zeigen, sondern auch mal lyrisch zu werden. Aber auch das ist bloß ein Anlauf zu explosiver Energie und kleinem Inferno, denn Paris kann auch schreien – und das aus den Kehlen des Markus Steinhauser Quintetts ungebändigt schön. Von Jörg Meyer